Man kann von der derzeitigen Regierung in Berlin halten, was man will. Das kann man aber von jeder Regierung zu jeder Zeit. Ich halte sie jedenfalls nicht für besonders prickelnd und fähig. Letztlich aber kann jede Regierung nur mit dem arbeiten, was das Land, das Volk ihr zur Verfügung stellt. Und das ist unter aller Kanone. Über Politiker, die nicht weiter als bis zur nächsten Wahl denken, kann und sollte man sich aufregen. Nur bleibt die Frage, warum sie so kurzfristig denken. Weil wir das so wollen!
Wie komme ich auf so etwas, wo wir doch die armen Leidenden sind. Wir, das geschundene Volk, das alles tut. Hier muss man ergänzen, ein Volk, das alles dafür tut, dass es dem Einzelnen, dem Individuum gut geht. Das »Volk« besteht aber eben nicht nur aus »mir«, aus dem Ich. Es besteht aus uns!
Früher war alles besser, früher ging es uns allen besser. Alles war nicht besser und den meisten von uns ging es auch nicht besser, jedenfalls nicht finanziell. Früher, damit meine ich jetzt die Zeit vor 30, 40 Jahren. Packen wir gleich mal die ganz große Keule aus. Die Kosten für die Altenpflege explodieren und »die Rentner« müssen Pfandflaschen sammeln. Also alle Rentner, alle! So wird uns das auf Social-Media gerne weisgemacht. Davon abgesehen, dass ich noch nie einen Rentner beim Flaschensammeln gesehen habe, bleibt die Frage, warum es den Rentnern heute tendenziell schon schlechter geht. Ja warum? Wie war das früher? Da lebten die Alten zusammen mit ihrer Familie. Zwei- oder Dreigenerationenhäuser waren üblich. Wenn Opa und Oma in der Familie mitleben, war es gar nicht so wichtig, wie hoch die Rente ist. Heute könnten sie zusätzlich noch auf die Enkelkinder aufpassen, damals ging das nicht, weil zum Zeitpunkt der Verrentung der Großeltern die Enkel schon aus dem Kindergartenalter heraus waren. Da Ehepaare heute immer später Kinder bekommen, könnten die Großeltern sogar den Kindergarten ersetzen, zumindest teilweise. Das hieße aber, wenn die Großeltern pflegebedürftig werden und weiterhin in ihren Familien leben, können die Jungen eben nicht mehr tun, was sie wollen. Die Urlaubsplanung kommt in Konflikt mit der Pflege, man muss Rücksicht nehmen und kann nicht frei bestimmen, was man tut. Unterm Strich wollen wir selbständig sein, auf niemanden Rücksicht nehmen müssen und unser Leben nach unseren Vorstellungen genießen und leben. Im Gegenzug müssen die Renten teils durch Sozialleistungen aufgestockt werden, den Rentnern geht es schlechter, später kommen noch die Pflegekosten hinzu und die Kosten für die Kindertagesstätten. Viel Geld, das wir sparen könnten, wenn wir nicht unser Leben frei leben wollten ohne Rücksicht.
Mit der großen Keule geht es gleich weiter; bleiben wir beim »Früher«. Mein Großvater lebte nur bis zum Schluss pflegebedürftig in unserer Familie, er hat auch auf Sozialhilfe verzichtet. Als Bauer bekam er nur eine sehr kleine Rente und hätte schon damals viele staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen können. Hat er aber nicht, weil er sagte: »Es geht auch so.« Viele der Jammerer heute führen immer diese Generation an, als diejenige, die unser Land nach dem Krieg aufgebaut hat. Ja. Aber wie? Genau mit dieser Einstellung: »Es geht auch so!« Ich muss nicht alles haben, was mir zusteht, es reicht, das zu haben, was ich brauche. Was meine ich damit? Sollen die Rentner doch Pfandflaschen sammeln? Nein. Es geht um die jüngeren Generationen. Die Generationen, die den Staat als Feind sehen und deshalb denken, sie müssten alles einstecken, was sie irgendwie kriegen können. Dabei fehlt die Erkenntnis, dass wir der Staat sind. Sorry, wenn ich diesen alten Spruch mal wieder bemühen muss. Er trifft jedoch zu, egal wie alt er ist: Der Staat sind wir!
Bei dieser Überlegung geht es mir nicht um die Bürgergeldempfänger, an die hier wohl viele Leser gleich dachten. Es geht mir um die Menschen, die sich locker flockig drei Wärmepumpen leisten könnten, trotzdem aber die staatliche Förderung in Anspruch nehmen, sodass die Menschen, die das Geld bräuchten, um sich überhaupt eine solche Heizung leisten zu können, leer ausgehen. Es geht auch um die Menschen, die Fördermittel für Heizöl oder Gas in Anspruch nehmen, obwohl sie es nicht nötig hätten, während andere an den Kosten verzweifeln. Es geht um die, die sich schon immer Autos für 40.000 Euro plus gekauft haben, jetzt aber auf den kleinen Zuschuss auf E-Autos warten, bevor sie sich ein neues Gefährt anschaffen. Anschließend wird der Regierung vorgeworfen, die bereitgestellte Summe sei zu gering gewesen. Zugegeben: die Art, wie die Regierung aus der Förderung ausgestiegen ist, war unverantwortlich und dämlich. Trotzdem kann man jeden Euro nur einmal ausgeben, auch wieder eine Binsenweisheit. Stimmt aber trotzdem - auch für den Staat (also uns).
Gehen wir mehr ins Detail, ins tägliche Leben, mit dem Miteinander im Kleinen. Ein Erlebnis, bei dem mir die Spucke wegblieb, soll hier beispielhaft sein. Zwei Jugendliche unterhielten sich in der Bahn. Dabei bleibt mir regelmäßig die Spucke weg, wenn ich auf die Sprache achte, hierbei ging es aber um den Inhalt. Sie hatten für ihren Sportverein an einem Samstag drei Stunden Wettkampfnummern auf Trikots geklebt und der Verein hatte ihnen dafür kein Geld gegeben. Dabei hatten sie doch hinterher sogar gefragt: »Und wieviel kriegen wir jetzt dafür?« Sie haben etwas dafür getan, dass ihr Verein auch weiter bestehen kann, sie weiterhin dort hingehen und Spaß haben können. Gut, vielleicht nicht unbedingt bei Fleißarbeiten aber beim Trainieren und bei Turnieren. Man muss eben auch etwas einbringen, um etwas zurückzubekommen. So funktioniert im Kleinen das Vereinsleben und im Großen die Gesellschaft. Jeder muss etwas einbringen, um später etwas herauszubekommen.
Leider glauben aber zu viele Menschen, und sorry aber ich muss es schon wieder sagen: viele jüngere Menschen, dass eine Gesellschaft nur aus Herausbekommen besteht oder dass man sich vielleicht durch Geld um das persönliche Einbringen drücken kann. Nein, kann man nicht. Über 90 Prozent der Brandschutzdienste in Deutschland werden durch Freiwillige geleistet. Aber immer weniger Menschen gehen zur Freiwilligen Feuerwehr und glauben, durch ihre Steuern alles abgedeckt zu haben. Nein, denn das würde eine flächendeckende Berufsfeuerwehr erfordern, die eben für über 90 Prozent der Kommunen unerschwinglich ist. Ebenso in anderen Bereichen. Kleines Beispiel: Seinen Müll unterwegs einfach in dafür vorgesehenen Mülleimer zu werfen, ist nicht schwer. Vielleicht auch mal ein selbst ein bisschen Wasser zu Pflanzen auf öffentlichen Plätzen geben, wenn man sieht, dass es notwendig ist. Einfach immer dann, wenn man denkt: »dafür zahl' ich Steuern«, kurz mal grübeln, ob man es nicht schnell selbst machen kann. Wir müssen uns schon persönlich einbringen - oder ein Vielfaches an Steuern zahlen. Beides nicht zu wollen, wie es derzeit zu erleben, funktioniert nicht.
Die Regierung? Wichtig: Die Regierung oder auch Politik, nicht der Staat. Das wird gerne absichtlich verwechselt, vor allem von denen, die ständig gegen die Demokratie hetzen. Das sind leider auch wieder mehr geworden, ist aber hier nicht unser Thema. Aber weiter: Die Regierung (= die gewählte Politik - der Staat = wir) ist also nicht schuld? Wie ich schon sagte, halte ich unsere Regierung derzeit nicht für besonders prickelnd und fähig, sie ist aber nicht vom Himmel gefallen. Wir haben sie gewählt. Warum? Aus Bequemlichkeit, behaupte ich.
Von Robert Habeck kann man nun halten was man will, von der grünen Politik auch; doch sagte er einem Podcast einmal sinngemäß, dass er für seine Ziele einstehe und wenn er deshalb das Arschloch der Nation sei, dann sei es eben so. Diese Einstellung erwarte ich von allen Politikern, bekomme sie aber nicht. Doch ist diese Einstellung für Politiker auch nur möglich, wenn wir als Wähler genauso denken. Also wenn ich regenerative Energien will, wird mich das zunächst mehr Geld kosten. Da muss ich dann aber durch, wenn ich dieses Ziel erreichen will. Oder ich muss das Windrad vor dem Horizont akzeptieren. Tun wir aber nicht, wir entscheiden uns nicht für ein Ziel, eine Politik und gehen mit, bis wir das Ziel erreicht haben. Wir gehen nur so lange mit, bis es für uns ein bisschen unangenehm wird und rennen dann einem anderen Politiker hinterher, der uns was Schönes verspricht, ohne dass es vorher unangenehm wird. Dementsprechend können Politiker sich nicht mehr auf die Wähler verlassen und die, die immer nur von Legislaturperiode zu Legislaturperiode denken, bekommen Oberwasser. Das erleben wir auch gerade. Wir haben also die Politiker und die Politik, die wir verdienen und müssen in der Gesellschaft leben, die wir uns geschaffen haben. Daran sind auch keine Migranten schuld, das haben wir in den letzten 30 Jahren selbst geschafft. Also müssen wir uns da auch wieder herausholen. Ohne Ausreden, die der Politik oder Migranten oder sonst wem die Schuld geben. Und auch das muss noch sein: Blau ist keine Alternative!