Das Buch und sein Einband

Mittwoch, 10.04.2019 | CC-BY-ND Marc Stephan - Wer nicht lesen will, muss hören: ⇒ AUDIO-PODCAST zum Text

Gucken ist doch einfacher als Denken, da kann jeder was sagen


Man soll ein Buch nicht nach dem Einband beurteilen. Ja, kennen wir, alter Hut, bringt uns aber nichts. Vielleicht doch: Als neulich der frisch gewählte Chef der Jungen, Union Tilman Kuban, seine erste medial beachteten Worte sprach, waren schon bald in den sozialen Medien Kommentare zu lesen über seine Figur, sein Aussehen, das ihn wesentlich älter erscheinen ließe als er sei usw.

Nicht, dass ich die geistigen Ergüsse des Herrn Kuban toll fände, es war für mich aber immerhin Anlass, mich im Netz umzuschauen, ob das Verhalten der Leser ein Einzelfall ist oder vielleicht doch schon die Regel. Und ja, es ist leider die Regel, gerade in sozialen Netzwerken.

Äußerlichkeiten an Menschen, seien es Politiker, Blogger, Autoren, Publizisten oder Moderatoren, beschäftigen unsere Gesellschaft oft weit mehr als die Inhalte, die sie vertreten. Sicher, es ist einfacher, sich über das Aussehen lustig zu machen, als über eine Aussage nachzudenken. Gucken ist einfacher als Denken, das kann sogar ein Hund. Wir können also etwas in die Kommentarspalte schreiben, ohne überhaupt verstanden zu haben, von was der Mensch da eigentlich redet oder schreibt.

Da kommen doch oft gefühlsgesteuerte Verhaltensweisen durch wie Schadenfreude, Spott oder offenes Auslachen. Im Privaten mag das bestenfalls »nur« unhöflich sein und niemanden verletzen. Im öffentlichen Leben - und das sind soziale Netzwerke mittlerweile - aber wird es für uns alle gefährlich. Vielleicht sollten wir wirklich erstmal innehalten, bevor wir in sozialen Netzwerken etwas kommentieren und überlegen worum es geht. Soll ich jemandes Aussehen beurteilen oder soll ich über eine Aussage nachdenken? Da würde ich dann meinen, wenn es um die Beurteilung von Äußerlichkeiten geht, die dann oft in Spott und Häme endet, sollten wir am besten gar nichts von uns geben - und dort, wo es um Inhalte geht, auch wirklich die Inhalte kommentieren und uns nicht wie eine Horde Affen von Oberflächlichkeiten ablenken lassen und darüber das Wichtige vergessen.

Also eben doch: »ein Buch nicht nach dem Einband beurteilen«. Wie schon gesagt, Herr Kuban brachte mich darauf. So hatte sein Auftritt wenigstens etwas Gutes.